Pages

Lilli, der besonders besondere Sonderfall

Lilli stammt von einem Bauernhof. Ihre Mutter entwischte einer Kastrationsaktion und brachte 4 wunderhübsche Babies auf die Welt. Ich kenne Lilli vom ersten Tag an, zum ersten mal gesehen habe ich sie, als sie gerade ein paar Stunden alt war.
Die Mutterkatze war eines der verhaltensgestörtesten Tiere, die ich je erlebt habe. Sie ging auf alles los, auf Rinder, auf Menschen, auf geparkte Autos, sogar auf Strohballen. Wenn die Katze den Kuhstall des Bauern betrat, standen die Rinder stramm. Ein echtes kleines Monster war das.

Sie versorgte ihre Babies die ersten 4 Wochen gut. Dann hatte sie Schnauze voll und beschäftigte sich wieder mit ihren Lieblingsfeinden, den Kühen und den Strohballen und hatte keine Zeit mehr für ihren Nachwuchs. Die Katzenbabies hätten ihre Mutter noch dringend gebraucht, mussten aber auf Ersatzmilch und püriertes Futter umgestellt werden.
Ich schaute jeden Tag auf dem Hof vorbei und eines Tages fand ich eines der Babies schwer verletzt mit einer grossen Bauchwunde, da waren die Kleinen 5 Wochen alt. Das Katerchen wurde vom Tierarzt wieder zusammengeflickt und ich nahm es mit nach Hause, um es weiter zu versorgen. Zwei Tage später fand ich Klein-Lilli, wie sie mit komplett zugeklebten Augen rückwärts über den Hof lief. Sie hatte Katzenschnupfen erwischt und konnte nichts mehr sehen. Aus Angst, irgendwo dagegen zu laufen, ging sie nur noch rückwärts. Also nahm ich sie auch mit nach Hause. Die beiden anderen Babies übernahm eine Bekannte, die gerade eh mehrere Waisenbabies zu Hause hatte.
Klein-Lilli und ihr Brüderchen erholten sich schnell und vollständig und das Brüderchen wurde ein ganz reizendes Kerlchen, das mir mit 12 Wochen quasi aus den Händen gerissen wurde und ein ganz tolles neues Zuhause fand, wo schon ein zwei Wochen älteres Katerchen lebte.
Klein-Lilli wollte niemand haben. Sie hatte den Charakter, bzw. die Verhaltensstörung ihrer Mutter geerbt und mir dämmerte, dass ich ganz schlechte Chancen habe, das Minimonster zu vermitteln. Tja.... das war vor 11 Jahren.

Lilli ist ein zuckersüsser Schatz, so lange alles genau nach ihrem Kopf geht. So lange man sie da streichelt, wo sie es haben will, so lange man sie nicht anschaut, wenn sie nicht angeschaut werden will, so lange andere Katzen sie ignorieren, so lange sie zu futtern bekommt, was sie zu futtern haben will.
Aber wehe, es läuft etwas nicht nach ihrem Willen. Das kann auch das Wetter oder der Wochentag sein, wenn sie möchte, dass Sonntag ist und es ist Montag, flippt Lilli aus. Wenn sie in der Sonne liegen möchte, aber die Sonne gerade nicht scheint, wird Lilli seeeeehr übellaunig.

Und was passiert, wenn Katzen wie Lilli seeeehr übellaunig werden? Sie machen ihren Dosenöffner dafür verantwortlich. Wen denn auch sonst?!? Der hat gefälligst dafür zu sorgen, dass sich die Welt nach ihren Wünschen dreht. Und aus Rache, weil er die Sonne nicht scheinen lässt, wenn Sonne gewünscht wird,  pinkeln sie ihm über die Schuhe, in die Handtasche oder die erstbeste Zimmerecke.

Ich habe 9 Jahre lang versucht, die Welt nach Lillis Wünschen zu gestalten. Und habe kläglich versagt.
Es wurde mit Homöopathie, Pheromonen, Futterumstellungen und was weiss ich was alles experimentiert.
Dann beschloss ich, sie von den anderen Katzen zu separieren und sie grundsätzlich nur das tun und futtern und überhaupt ALLES machen zu lassen, worauf sie Lust hat. Zum Glück haben wir hier die räumlichen Möglichkeiten. Sie lebt jetzt in meinem Büro, das aus zwei Zimmern, einem kleinen Flur und einer Wendeltreppe zwischen den beiden Zimmern besteht, hat also ausreichend Platz. Sie hat ein Katzenklo für sich alleine, sie muss sich nicht mehr drüber ärgern, dass der Liegeplatz, auf den sie sich gerade hinflätschen will schon besetzt ist, sie hat ihre Spielsachen für sich alleine, nur übers Wetter regt sie sich nach wie vor auf.
Sie sitzt den ganzen Tag auf meinem Schreibtisch und wenn sie gestreichelt werden will, dann streichle ich sie, wenn sie nicht will, dann lasse ich es. Wenn sie mich anquakt, unterhalte ich mit ihr, wenn sie mich ignoriert, ignoriere ich sie auch. Manchmal kapiere ich ihre schnell wechselnden Wunschvorstellungen nicht schnell genug und fange mir einen wütenden Pfotenschlag ein oder werde von einer vor Wut schnaubenen Lilli lautstark angepflaumt. Aber so ist sie halt. Sie ist der Bestimmer und ich habe zu spuren.

Dass Sophie, meine Rockzipfelkatze, auch immer mit ins Büro kommt, das akzeptiert sie. Der engelsgleiche Anton ist auch noch ok. Alle anderen haben ihre Welt nicht zu betreten. Wenn mein Mann in mein Büro kommt, findet sie das manchmal ganz superklasse und freut sich, manchmal passt es ihr nicht in den Kram und sie bekommt ein Wutanfällchen. Linda, mein Hund, ist natürlich auch immer mit im Büro und Linda ist wohl das einzige Lebenwesen auf der Welt, das in Lillis Augen nichts falsch machen kann. Ich habe noch nie gesehen, dass sie nach Linda gehauen oder sie angebrüllt hätte. Sie liegt gerne bei Linda und macht dann immer einen sehr zufriedenen Eindruck.
Sie pinkelt immer noch aus Rache, aber längst nicht mehr so oft, denn es läuft ja soweit alles nach ihren Wünschen. Kürzlich habe ich es gewagt, ihr Fisch anzubieten als sie gerade keine Lust auf Fisch hatte. Sie roch am Napf, schaute mich stinksauer an, marschierte los und pinkelte vor meinen Augen unter einen Tisch.
Ok, ok, ich habs kapiert, sofort weg mit dem bösen Fisch, dann gibt es halt Hühnchen für die Bestimmerin der Welten und des Universums.


No comments:

Post a Comment